Elektronenhülle
Rutherfords Streuversuch legte nahe, dass die Hauptmasse des Atoms im Kern konzentriert liegt und die negativ geladenen Elektronen sich locker in der Atomhülle verteilen. Aber wie genau sind sie dort verteilt? Schwirren sie wahllos um den Kern oder auf festen Bahnen wie Planeten um einen Stern?
Zunächst war unter den Wissenschaftlern die Auffassung verbreitet, dass das Atom aus einem „mikroskopischen Sonnensystem“ bestünde, in dem die Elektronen den Atomkern umkreisten. Der dänische Physiker Niels Bohr legte eine Überlegung vor, die er mit dem Linienspektrum eines Wasserstoffatoms begründete: Wird ein Atom angeregt, gibt es diese Energie später in Form von Strahlung (Licht) ab. Genauer betrachtet, wird bei der Abgabe dieser Strahlung ein Photon emittiert, dessen Energie genau der Differenz der Energieniveaus zweier Elektronenschalen entspricht. Sichtbares Licht kann mittels eines Prismas in seine Einzelbestandteile aufgeteilt werden, sein sogenanntes kontinuierliches Spektrum (z. B. Regenbogen). Im Falle des Wasserstoffatoms handelt es sich dabei aber um ein Linienspektrum, welches als solches nur Strahlung weniger bestimmter Wellenlängen enthält. Diese Wellenlängen entsprechen den Wellenlängen der jeweils emittierten Photonen.
Um dieses Linienspektrum zu erklären, stellte Bohr die Hypothese auf, dass sich Elektronen in Umlaufbahnen, sogenannten Energieniveaus (oder Elektronenschalen) um den Kern bewegen sollten.
Die physikalische Gesetzmäßigkeit, dass bewegte Objekte Energie abgeben und somit die negativ geladenen Elektronen irgendwann aufgrund der Anziehung des positiv geladenen Kerns in diesen stürzen müssten, versuchte er damit zu erklären, dass in solch kleinen Systemen die klassische Physik nicht mehr gelte. Er stützte sein Modell auf 3 Postulate:
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Elektronen können sich im Wasserstoffatom nur auf Umlaufbahnen mit bestimmten Radien bewegen, die bestimmten festgelegten Energien entsprechen.
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Ein Elektron auf einer Umlaufbahn hat eine bestimmte Energie und befindet sich in einem „erlaubten“ Zustand. So ein Elektron strahlt keine Energie ab und fällt daher nicht spiralförmig in den Kern.
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Energie wird von einem Elektron nur emittiert und absorbiert, wenn dieses von einem erlaubten in einen anderen erlaubten Zustand wechselt. Man spricht von gequantelter Energie, die als Photon (Lichtteilchen) abgegeben wird.
Wenn ein angeregtes Elektron von einer höheren Schale wieder auf eine tiefere fällt, emittiert es eben jenes Photon, das im Linienspektrums-Versuch als Licht bestimmter Wellenlänge zu beobachten war. Von der Wellenlänge können wir auf die Energiedifferenz zwischen den beiden Energieniveaus schließen, zwischen denen sich das Elektron bewegt hat. Aus einer Reihe solcher Versuche folgerte Bohr, dass die Energieniveaus mit ansteigender Entfernung vom Kern höher werden. Er stellte auch fest, dass die Energieniveaus unterschiedliche Kapazitäten haben. Während die erste Schale nur maximal 2 Elektronen trägt, kann die fünfte Schale bereits 50 Elektronen beherbergen.
Nach außen hin ist ein Atom elektrisch neutral, das heißt es gibt genauso viele positiv geladene Protonen im Atomkern wie negativ geladene Elektronen in der Atomhülle. Die Elektronenzustände unterscheiden sich vor allem in ihrer Energie und werden Schalen genannt. Die Schalen werden von der innersten Schale (dies ist die Schale, die dem Kern am nächsten ist) nach außen durchnummeriert und mit der sog. Hauptquantenzahl n (n = 1,2,3,4, ...) oder großen Buchstaben gekennzeichnet (K, L, M, N, ...).
Dabei gilt, dass in jeder Schale max. 2n2 Elektronen Platz finden, wie in der nachfolgenden Tabelle beschrieben ist.
Hauptquantenzahl n
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Bezeichnung der Schale
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max. Elektronenzahl
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1 |
K |
2 |
2 |
L |
8 |
3 |
M |
18 |
4 |
N |
32 |
5 |
O |
50 |
Zu bedenken ist, dass die Regel der Schalenbesetzung mit Elektronen 2n2 lediglich die MAXIMALE Elektronenzahl, die eine Schale fassen kann, definiert, aber keine Information darüber gibt, in welcher Reihenfolge die Schalen besetzt werden! Zur vollständigen Beschreibung der Elektronenzustände und damit der Schalenbesetzung, werden noch andere Quantenzahlen benötigt (Nebenquantenzahl, Spinquantenzahl und magnetische Quantenzahl). Eine genaue Erläuterung der Elektronenbesetzung gibt das Kapitel "Schalen".
Die Zeilen des Periodensystems (PSE) kategorisieren Elemente nach ihrer Hauptquantenzahl bzw. ihrer Schale und werden Perioden genannt. Die Zeilen werden somit im PSE von oben nach unten mit aufsteigender Hauptquantenzahl nummeriert.
Heute weiß man, dass das Bohrsche Atommodell tatsächlich nur eine idealisierte Vorstellung ist. Wegen seiner guten Anschaulichkeit wird es aber trotzdem gerne verwendet.
Tatsächlich herrscht in solch kleinen Systemen, wie es das Atom selbst ist, die Welt der Quantenmechanik, die sich komplett anders verhält als die klassische Physik. In diesem abstrakten System können Elektronen nur mittels komplizierter, mathematischer Funktionen über Aufenthaltswahrscheinlichkeiten (Schrödingergleichung) lokalisiert werden. Diese Funktionen werden Orbitale genannt, die als Aufenthaltsräume der Elektronen verstanden werden.
Elektronen spielen eine überaus wichtige Rolle in der Beschreibung von chemischen sowie physikalischen Eigenschaften von Atomen (magnetische, elektrische, …) und sind durch Wechselwirkung mit anderen Elektronen für chemische Bindungen zuständig.